Erwartungsvolle Spannung lag in der Luft, als Mitte Januar in der voll besetzten Vinothek des Weinguts Böhm (Wörrstadt) Uli Martin die Jungweinprobe „seiner“ Historischen Rebsorten startete und dem gespannten Auditorium fünfundzwanzig Weine versprach. Mit dieser Probe wollte er erstmals interessierten Winzerinnen und Winzern ein Portfolio an Rebsorten vorstellen, die 8 bis 12 Tausend Jahre Geschichte schreiben und die über all die Jahre schon extreme Klimaveränderungen mitgemacht haben. Andreas Jung, Rebenzüchter, Ampelograph und Ethnologe sorgte für spannende Geschichten um diese historischen Rebsorten, die er in einem großen Forschungsprojekt identifiziert hat und auf ihre Ursprünge zurückverfolgt hat.
Grünfränkisch – „Der Wein der Liebfrauenmilch“
Den Start machte ein gereifter Süßwein aus dem Weingut Klaus Scheu in Schweigen-Rechtenbach – Jahrgang 2011 – der das Reifepotential einer Rebsorte zeigte, die allen Erwähnungen zufolge ihren Ursprung im südlichen Rheinhessen hat: Grünfränkisch heißt die Weißweinsorte, die vermutlich den Wein der Liebfrauenmilch hervorbrachte. „Bemerkenswert ist, dass die Rebsorte nicht ohne Weiteres durchgärt und das ist typisch für das Geschmacksprofil der Liebfrauenmilch“, erklärt Partnerwinzer Jonas Kiefer (Worms-Wiesoppenheim), der den Grünfränkisch bereits seit 2015 kultiviert. Im Laufe des Abend wurden weitere Grünfränkische aus den Weingüter Sander, Sauer und Hahn verprobt.
Roter Veltliner – „Rebe der Adligen“
Auch einen Roten Veltliner präsentierte Kiefer an dem Abend seinen Kollegen, der mit wunderschönen Fruchtaromen daherkam. Der 17er beeindruckte mit einer dezenten Würze. Eine Rebsorte, die tiefgründige Böden liebt und daher auf den süddeutschen Lössböden weitverbreitet war.
Weißer Räuschling – „Berauschte schon im 10. Jahrhundert“
Animierend waren die feinen Fruchtaromen des Weißen Räuschling – akzentuiert mit grünen und kräutrigen Noten. Eine Rebsorte, die stark an den Silvaner erinnert, im Abgang aber etwas mehr Würze und Schmelz mitbringt. Als Grobriesling war er in Rheinhessen und dem Rheingau verbreitet, als Klingenberger in der Ortenau.
Gelber Kleinberger – „Weinanbau in der kleinen Eiszeit“
Schon vor dem Riesling war der Gelbe Kleinberger an Rhein und Mosel stark verbreitet. Sein Duft entführte das interessierte Auditorium in das Reich der Scheurebe und zu den Spielarten des Sauvignon Blanc. Cassis, rosa Grapefruit und Zitrusnoten – und das bei einer belebenden Beerensäure.
Blauer Muskateller – „Ursorte aus Indien“
Großes Potential – insbesondere mit Blick auf die Beliebtheit bei den Weinfreunden und den Weinabsatz – vermachten die kritischen Zuhörer dem Blauen Muskateller. Wunderschön der feine Duft nach Rosenblüten, zart roséfarben, fruchtig, frisch – einfach betörend. Ein herrlicher Begleiter für laue Sommernächte.
Erste Weine gab es auch aus den Rebsorten Schwarzer Heunisch – „Relikt aus dem Früh- und Hochmittelalter“, vinifiziert im Weingut B.A. Schmitt in Mommenheim, Grüner Adelfränkisch – „Edelsorte im Mittelalter“ aus den Muttergärten der Rebschule Martin und aus dem Weingut Stefan Böhm in Wörrstadt. Und aus dem Weißen Traminer – „Regional bedeutende Ursorte“, vinifiziert im Weingut B.A. Schmitt, aus dem der Gewürztraminer hervorging und der ebenfalls zu den autochthonen Rebsorten gehört.
Nicht weniger spannend ging es nach der Halbzeit mit den Historischen Rotweinsorten weiter, die ebenso ein Portfolio an Autochthonen bereit hielten und in Sachen Klimaerwärmung, Kirschessigfliege und begehrte, dunkelfarbige Rotweine einige interessante Antworten zu bieten hatten.
Arbst – „Wiederentdeckte Burgunder-Rotweinsorte“
Eine beliebte alte Rotweinsorte im Badischen, die sich sogar im Dialekt festgesetzt hat: „zum Arbsten gehen“. Burgundertypische Aromen.
2016-er Cuvée [Arten-] Vielfalt – das Rotweincuvée aus fünf historischen Rotweinsorten.
Die Cuvée stammt aus dem Jahrgang 2016 und wurde im Weingut Gutzler (Gundheim) ausgebaut. Michael Gutzler hat mit viel Gelassenheit und dem gekonnten Verschnitt gezeigt, welches Potential in den Historischen Roten gerade als Cuvée-Partner steckt.
Bettlertraube – „Genetische Schwester des Lemberger“
Das besondere dieser Rotweinsorte: Sie gedeiht selbst auf schwierigen Böden und kann als sehr robust bezeichnet werden. Wenngleich sie auch riesige Erträge bringt. Den Wein stellte der Partnerwinzer Gunter Eller aus Dorn-Dürkheim zur Verfügung.
Schwarzurban – „Kind des Trollingers“
Er gilt als die beste der gewöhnlichen Rotweinsorten mit typischen Aromen von Sauerkirsche, Heidelbeere und eher leichten Tanninen.
Blauer Gänsfüßer – „Der Pfälzer unter den Historischen“
In der Nase ein intensiver Duft nach schwarzer Johannisbeere, Kirsche und Brombeere. Würzig und mit einer guten Tanninstruktur. Er wurde oft an Häuser gepflanzt wegen seiner Wüchsigkeit, um das Wasser aus dem Untergrund zu ziehen
Blauer Hängling – „Die große Unbekannte“
Er zeigt sich als ein eher würziger Rotwein mit ebenso starker Tanninstruktur. Im Anbau beeindruckt er mit großen Trauben, aber kleinen Beeren, denen die Kirschessigfliege wiedersteht. Seine Herkunft ist nicht ganz eindeutig.
Süßschwarz – „Urmutter unserer Kulturreben“
Viel Frucht, fleischige Noten und eine gute Struktur präsentierte der Süßschwarz als Jungwein. Seine Geschichte ist 8.000 – 12.000 Jahre alt. Es handelt sich hierbei um den echten Blauen Silvaner, der in der alten Weinregion Schirwan am kaspischen Meer angebaut wurde.
Schwarzblauer Riesling – „Im 19. Jhdt. bereits eine Seltenheit“
In der Nase deutliche Cassis-Noten. Seine dichten Tannine versprechen viel Potential. Erinnert an Malbec.
Hartblau – „Älteste Rotweinsorte Deutschlands“
Die zwei Weine in der Probe beeindruckten durch ihre intensive Frucht und Würze, kamen kraftvoll und mit dichten Tanninen daher. Hartblau zählt ebenso zu den Ursorten und wurde schon vor 8.000 Jahren am kaspischen Meer angebaut. Klassischer Weise wurde er als Cuvée-Partner eingesetzt. „Hartblau macht die Rotweine haltbar“. Weinbaulich ist er heute interessant, weil er spät reift und auch spät färbt. Damit ist er uninteressant für die Kirschessigfliege und nicht besonders anfällig gegen Pilzkrankheiten.
Fränkischer Burgunder – „Der echte Späte Burgunder“
Schon Kaiser Karl der Große wusste ihn zu schätzen. Reift spät, färbt spät, daher robust gegen die Kirschessigfliege. In der Jugend intensive Sauerkirsche. Sonst würzig, pfeffrig – ein frankophiler Rotweintyp.
Die Proben der siebzehn Historischen Rebsorten an diesem Abend erzählten von einer spannenden, unterhaltsamen und lehrreichen Reise in die Historie der Rebsorten, die bis in den Orient und nach Vorderasien führte. Mit der Wiederentdeckung durch Andreas Jung wurden viele fast schon vergessene Rebsorten wieder zum Leben erweckt, Rebsorten, die im Laufe der zwei Weltkriege verschwanden, und die heute den Herausforderungen des Klimawandels Paroli bieten. Dank der Begeisterung und des Engagements von Uli Martin haben diese Rebsorten wieder eine Chance, in den Anbau zu kommen und den genetischen Pool unserer Rebsorten zu bereichern.
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Einige der vorgestellten Jungweine werden im Laufe des Frühjahrs abgefüllt und in einem im Aufbau befindlichen Online-Shop zum Kauf angeboten werden.